Kategorie: Olle Kamellen

Sjöwall/Wahlöö, Die Tote im Götakanal

Lakonisch, klar, furztrocken

Die Tote im Götakanal ist 1965 das erste Mal erschienen – also eine Olle Kamelle. Sprich ein Klassiker im Krimiregal. Klassiker, daß sind Bücher die im Krimiregal ganz hinten stehen und verstauben, also eben Olle Kamelle.

Dieser Roman ist der Auftakt einer zehnbändigen Folge, aber so gut wie beim ersten Mal zu lesen. Ich habe den Krimi mit Kommissar Beck Ende der 70jahre gelesen. Und nun kam er mir wieder in die Finger, nach über 30 Jahren. Ich wollte es wissen, ob das, was einstmals so gut und spannend und neu war, heute noch Bestand hat.

Das damals so ferne Land: Schweden.

Also: es klappte. Und wieder spannend. May Sjöwall und Per Wahlöö waren ein Paar das tatsächlich so glücklich miteinander konnte, daß sie sogar zusammen ihre Bücher schrieben.  Und, jetzt kommts, sie waren Marxisten (sind sie deshalb später in der DDR erschienen?) Haben sie deshalb in den folgenden Romanen gesellschaftskritische und sogar sozialistische Ausflüge in die schwierigen Verhältnisse Schwedens eingebaut?

Aber wer schafft das schon, beste Unterhaltung zu schreiben, die verfilmt und in vielen Ländern gezeigt wurde und trotzdem mit dem Stempel „marxistisch“ durchgeht? Der erste Roman dieser Krimiserie „Die Tote im Götakanal“ kommt dabei noch ohne Agitation zu recht und das ist gut so. Es spielt in einer Zeit, die unserer so weit fern ist wie 1920 oder 1910. Es gibt kein Handy, das Internet und der Computer sind noch nicht erfunden und auch noch nicht dran zu denken. Kommissar Beck muß des öfteren die Straßenbahn nehmen, da nicht jedes Kommissariat komplett mit Autos ausgestattet werden konnte. Unsere beiden Autoren haben das so tollbeschrieben, daß das alles überhaupt nichts ausmacht, daß dieser technische Firlefanz gar nicht fehlt – und das man sofort beim Lesen drin ist und den Menschen folgen kann.

Beide Autoren waren wohl Anhänger der amerikanischen Kriminalliteratur. Und sie können mit den besten davon locker mithalten. Launige Beschreibungen, klare Beobachtungen und furztrockene Dialoge. Das Breittreten von sentimentalen Gefühlen entfällt.

Inhalt

Warum es eigentlich in diesem Krimi geht.

Das Schleusenbecken des Götakanals bei Motala wird turnusmäßig ausgebaggert. Dabei wird eine nackte Frauenleiche gefunden. Kommissar Beck und seine Kollegen ermitteln, daß diese Frau auf dem Touristendampfer „Diana“ mitgefahren und dort vergewaltigt und erwürgt wurde. Weiter sind keine Anhaltspunkte festzustellen. Es stellt sich nach vielen Monaten des vergeblichen Suchens heraus, daß die Frau eine Amerikanerin aus Lincoln/Nebraska ist und Roseanna McGraw heißt. Sie war allein unterwegs. Da alle männlichen Passagiere, die auf der Bordliste erfaßt sind, aber ausscheiden kommt Martin Beck auf den Gedanken, die Fotos und Schmalfilme der mitfahrenden Passagiere auszuwerten.

Endlich findet man eine Spur, die auf einen mitfahrenden Deckpassagier verweist, der das Schiff nur für eine Teilstrecke gebucht hatte. Die Kriminalisten um Beck hoffen durch einen Lockvogel auf Erfolg. Eine Kollegin übernimmt diese Rolle, damit man den Verdächtigen überführen kann. Da sich aber eine Panne bei der Überwachung einschleicht, haben Beck und seine Männer Mühe rechtzeitig in die Wohnung der Kollegin zu kommen, um den Mord an der auf den Täter angesetzten Kollegin zu verhindern.

Erschienen sind die Krimis von Sjöwall, Wahlöö in den Rowohlts Rotations Romanen (rororo).

Georges Simenon, Der Kleine Heilige

Erschienen bei diogenes als Taschenbuch mit einem Titelbild von Picasso.

Wer liest ihn noch? Meist kennt man auch nur seine Hauptgestalt: Kommissar Maigret. Kaum bekannt sind aber seine Non-Maigret-Romane. Richtige Psychos, in denen man sieht, wie es arbeitet. Der „kleine Heilige“ ist eins von sechs Kindern einer allein erziehenden Mutter und Gemüsehändlerin, die so schlecht und recht, aber doch mit viel Gefühl und Liebe ihre Kinder durchzubringen versucht. Auch die Liebe, die körperliche Liebe ist ihr nicht fremd und wichtig. Der einzige Raum, in dem die Familie lebt und in dem alles passiert, schlafen, leben, lieben, sterben, ist durch Vorhänge abgetrennt . Und durch Löcher im Vorhang lernen die Kinder von der Mutter „wie es geht“, so daß der große Bruder mit der kleinen Schwester es wohl auch dann und wann mal versucht.

Der kleine Heilige sieht, nimmt alles auf und erduldet. Und wenn man ihn in der Schule schlägt, erduldet er, aber er sagt es niemandem. Und so bekommt er den Spitznamen „der kleine Heilige“. Eines Tages bekommt er Stifte geschenkt und er malt, als hätte er nie was anderes getan. Die Bilder, die er malt, sieht der Zeichenlehrer in der Schule. Hochachtung zollt er ihm und hofft, daß er weiter zeichnet. Neben seiner Leidenschaft, dem Malen und Zeichnen, geht er auf den Großmarkt. Von dem Verdienten gibt er einen großen Teil der Mutter, seinen Teil spart er für Farben und Malzeug, denn Bilder sind in ihm, die er unbedingt noch zu Papier bringen will.

Auf diesen knappen 140 Seiten zieht eine Welt in Paris auf, wir sehen, wie die Mutter jeden Tag in der Frühe zum Großmarkt zieht und abends mit anderen Männern zurückkommt. Der große Bruder zieht ins Leben und wird des Lebens nicht Herr und deshalb anfängt zu stehlen und später im Krieg fallen. Die Zwillinge, die einfach verschwinden. Zwanzig Jahre vergehen wie im Flug. Und irgendwann kann sich Louis, so der Name vom kleinen Heiligen, von diesem Leben lösen und in die Welt ziehen – um Künstler zu werden.

Janosch, Sandstrand

Buchumschlag

Erschienen bei Beltz&Gelberg, ISBN 3407 807589

Wo ist der phantasievolle Fabulierer Janosch? Der Autor der Tigerente und oh wie schön ist Panama… und all die anderen phantasievollen Kinderbücher oder auch die Bücher für die Großen: „Cholonek…“ oder „Sacharin im Salat“?

Sandstrand ist 1979 erschienen und handelt vom alten Mann Karl, der das junge aber überall so verdreckt ist Mädchen Elia aufgabelt und mit ihr säuft und bumst und sich überreden läßt (auf seine Kosten, denn „ich hab kein Geld“ nach Italien zum Sandstrand zu fahren, den weißen Sandstrand, den Elia so liebt, der aber überall so verdreckt ist mit Plasteflaschen und anderem Unrat. Und Elia dort immer wieder verschwindet, aber reumütig zu Karl zurückkehrt, weil der alles bezahlt, mit ihm schläft und ihn dafür mit einem Tripper, einer tollen Geschlechtskrankheit beglückt. Ab und an kriegt Karl keinen mehr hoch vor Schmerzen, da er im letzten Krieg einen Granatspltter abbekommen hat.

Und immer wieder sind die beiden auf der Suche nach dem „Sandstrand“. Bis sie eines Tages in einem Kriegscamp, in dem lauter Versehrte untergebracht sind, sich in den Armen liegen – und sich trennen. „Aber da waren kine Tränen in ihren Augen, und er fuhr weg und sah den Zug durch eine bildlose Landschaft fahren und in der Ferne verschwinden.“

Janosch! Ist das das Ende?