Georges Simenon, Der Kleine Heilige

Erschienen bei diogenes als Taschenbuch mit einem Titelbild von Picasso.

Wer liest ihn noch? Meist kennt man auch nur seine Hauptgestalt: Kommissar Maigret. Kaum bekannt sind aber seine Non-Maigret-Romane. Richtige Psychos, in denen man sieht, wie es arbeitet. Der „kleine Heilige“ ist eins von sechs Kindern einer allein erziehenden Mutter und Gemüsehändlerin, die so schlecht und recht, aber doch mit viel Gefühl und Liebe ihre Kinder durchzubringen versucht. Auch die Liebe, die körperliche Liebe ist ihr nicht fremd und wichtig. Der einzige Raum, in dem die Familie lebt und in dem alles passiert, schlafen, leben, lieben, sterben, ist durch Vorhänge abgetrennt . Und durch Löcher im Vorhang lernen die Kinder von der Mutter „wie es geht“, so daß der große Bruder mit der kleinen Schwester es wohl auch dann und wann mal versucht.

Der kleine Heilige sieht, nimmt alles auf und erduldet. Und wenn man ihn in der Schule schlägt, erduldet er, aber er sagt es niemandem. Und so bekommt er den Spitznamen „der kleine Heilige“. Eines Tages bekommt er Stifte geschenkt und er malt, als hätte er nie was anderes getan. Die Bilder, die er malt, sieht der Zeichenlehrer in der Schule. Hochachtung zollt er ihm und hofft, daß er weiter zeichnet. Neben seiner Leidenschaft, dem Malen und Zeichnen, geht er auf den Großmarkt. Von dem Verdienten gibt er einen großen Teil der Mutter, seinen Teil spart er für Farben und Malzeug, denn Bilder sind in ihm, die er unbedingt noch zu Papier bringen will.

Auf diesen knappen 140 Seiten zieht eine Welt in Paris auf, wir sehen, wie die Mutter jeden Tag in der Frühe zum Großmarkt zieht und abends mit anderen Männern zurückkommt. Der große Bruder zieht ins Leben und wird des Lebens nicht Herr und deshalb anfängt zu stehlen und später im Krieg fallen. Die Zwillinge, die einfach verschwinden. Zwanzig Jahre vergehen wie im Flug. Und irgendwann kann sich Louis, so der Name vom kleinen Heiligen, von diesem Leben lösen und in die Welt ziehen – um Künstler zu werden.

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